Mutter sein ist extrem überladen: Mütter geben gerne, sie opfern sich auf für ihre Liebsten, sind glückliche Managerinnen eines Familienunternehmens und haben stehts alles im Blick. Dieses überfrachtete Bild hat Folgen für Mütter und den Wert von Fürsorgearbeit.
Die Ansicht, wie Mütter zu sein haben und was ganz selbstverständlich in ihren Tätigkeitsbereich fällt, setzt Mütter gehörig unter Druck. Auch trägt es ganz entscheidend dazu bei, dass Fürsorgearbeit kaum bis keinerlei Wertschätzung erhält. Schließlich sind all die unzähligen Tätigkeiten, die eine fürsorgende Mutter übernimmt, schlicht und ergreifend normal. Das machen Mütter halt so. Es ist ihr Job.
Nur leider ist dieser Job nicht als solcher anerkannt. Es gibt keinerlei Bezahlung, noch irgendeine andere Form der Wertschätzung, denn: das ist halt das, was Mütter tun. Und dann sind wir mitten im Dilemma. Denn etwas, was selbstverständlich ist, wird nicht weiter beachtet. Es ist ganz einfach da.
Fürsorgearbeit ist kein privates Vergnügen
Dazu kommt, dass Fürsorgearbeit im Privaten stattfindet und schlicht nicht als Arbeit angesehen wird. Dabei reicht ihre Bedeutung weit über das Private hinaus. Denn Fürsorgearbeit ist die Grundlage unserer Gesellschaft.
Unsere gesamte Gesellschaft baut auf Care-Arbeit auf. Wir alle profitieren von ihr, ebenso wie wir alle einmal umsorgt werden mussten oder in der Zukunft noch werden. Fürsorgearbeit ist die Grundlage, die alles andere wirtschaften überhaupt erst möglich macht. Denn sie schafft Zeit und Ressourcen damit andere sich ungehindert der Erwerbsarbeit widmen können, ebenso wie sie für ein Fortbestehen der Gesellschaft und damit auch der Wirtschaft sorgt.
Weltweit arbeiten Frauen und Mädchen täglich (!) mehr als 12 Milliarden Stunden für unbezahlte Haus-, Pflege- und Fürsorgearbeit. Würden sie hierfür einen Mindestlohn erhalten, wäre diese Summe 24 Mal höher als die Umsätze von Apple, Google und Facebook zusammen!
Anhand dieser Zahl wird deutlich, dass das, was allgemeinhin ins Private geschoben wird, von immensem wirtschaftlichen Wert ist. Dennoch greifen Unternehmen zwar selbstverständlich auf Fürsorgearbeit zurück, beteiligen sich aber mit keinem Cent daran.
Es zeigt aber auch, dass es sich bei der Debatte um Care-Arbeit um echtes Empowerment dreht. Bedenken wir, dass überwiegend Frauen sowohl die private unbezahlte Care-Arbeit als auch die beruflich schlecht bezahlte Fürsorgearbeit leisten und dass ihnen durch die private Care-Arbeit wiederum Zeit für die berufliche fehlt, zeigt sich deutlich der Teufelskreislauf.
Auch wenn private Care-Arbeit ausgelagert wird, ist das Problem nicht behoben, denn dann übernehmen wiederum meist schlechter gestellte Frauen diese Tätigkeiten. So handelt es sich in Deutschland meist um Migrantinnen aus Osteuropa, die oft in prekären Arbeitsverhältnissen sind. Oft lassen sie ihre Familien zurück, weshalb Care-Arbeit wieder an schlechter gestellte Frauen ausgelagert wird. Das Problem wird lediglich weitergetragen bis am Ende tatsächlich Care-Arbeit nicht mehr stattfinden kann, weil es niemanden gibt, der sie übernehmen kann (Care Chains).
In einer rein kapitalistischen Welt, in der alles und jeder mit einem Geldwert bemessen wird, kann und darf Fürsorgearbeit nicht einfach als rein privates Interesse abgetan werden und unter den Tisch gekehrt werden.
Wie kann ein adäquater Geldwert bemessen werden?
Fürsorgearbeit nach Stunden abzurechnen, ist schwer. Denn während das physische Umsorgen noch greifbar sein mag, ist es spätestens beim Thema Mental Load nicht mehr wirklich messbar. Denn auch das gehört zur Fürsorge dazu: das Planen von unzähligen Dingen, das ständige Drandenken, das Organisieren und Deligieren. All das ist permanente Arbeit, die ungesehen in den Köpfen stattfindet und unglaubliche Ressourcen und Kräfte verbraucht.
Auch ist es fraglich, ob Fürsorgearbeit tatsächlich marktwirtschaftlichen Regeln unterworfen werden sollte – denn schauen wir uns die Entwicklung der beruflichen Care-Arbeit an, verlief dies ganz massiv zum Nachteil aller daran beteiligten Menschen. Sowohl Fürsorgende, als auch die zu Umsorgenden leiden unter den Konsequenzen: Es wird gekürzt, gestrichen, ausgelagert und gespart. Komme was wolle. Es erscheint daher sinnvoller ein Familiengeld und oder ein bedingungsloses Grundeinkommen einzuführen und die wöchentliche Arbeitslast so zu reduzieren, dass Fürsorgearbeit auch möglich ist, ohne komplett auszubrennen. Das widerum hätte Auswirkungen auf unser gesamtes Gesellschaftssystem und würde es für alle deutlich lebenswerter machen.
Wie kommen wir da aber hin?
Fürsorgearbeit anerkennen
Ein erster entscheidender Schritt ist, dass wir Fürsorgende selbst unsere innere Haltung unserer Arbeit gegenüber verändern. Dass wir uns selbst bewusst machen, was Mütter und Eltern ganz allgemein tagtäglich leisten und dass das genau so Arbeit ist, wenn nicht sogar mehr.
Wir müssen selbst unseren Wert erkennen und aufhören uns gegenseitig für verschiedene Lebensmodelle zu bekriegen. Es spielt nämlich überhaupt keine Rolle, ob Mütter erwerbstätig sind oder nicht. Die Fürsorgearbeit bleibt bestehen. In dem einen Modell wird sie selbst übernommen, im nächsten wird sie zu Teilen ausgelagert. Wiederum größtenteils an Frauen, die unter schlechten Bedingungen zu wenig Geld dafür erhalten.
Für uns alle ist es also von Vorteil Fürsorgearbeit endlich anzuerkennen. Und das nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer. Denn eine Gesellschaft, die sich eine gute Care-Arbeit leistet, wird insgesamt Lebenswerter und zwar für alle.
Der nächste Schritt ist es, die essentielle Bedeutung von Fürsorgearbeit sichtbar zu machen und ihre finanzielle Anerkennung zu fordern. Es darf nicht länger sein, dass Menschen, die diese gesellschaftlich relevante Arbeit verrichten, dafür benachteiligt werden. Ein geeignetes Mittel hierfür wären Streiks. Doch gehen sie zu Lasten derer, die unsere Fürsorge benötigen. Auch dürfen wir nicht vergessen, dass gerade die Menschen, die Fürsorgearbeiten verrichten über sehr beschränkte bis gar keine Ressourcen verfügen, um auf sich aufmerksam zu machen.
Die Pandemie als Chance
Eine Chance den Wert von Fürsorgearbeit zu verdeutlichen und zu einem Umdenken zu kommen, bietet die aktuelle Pandemie. Denn gerade jetzt wird zum einen deutlich, wie wichtig diese Arbeit sowohl im privaten als auch im beruflichen Kontext ist. Zum anderen zeigt sich mehr als deutlich, dass es so nicht weitergehen kann. Denn Fürsorgende sind spätestens jetzt endgültig am Ende ihrer Kräfte angelangt, viele sind sogar weit draüber hinaus und mittlerweile ernsthaft erkrankt.
Jetzt ist die Zeit, die ganze Arbeit hinter der Fürsorge deutlich herauszustellen, zu zeigen, was für ein konchenharter Job Fürsorgearbeit wirklich ist und ein Umdenken zu fordern.
Die Initiative Equal Care Day möchte genau hierauf aufmerksam machen:
Der Equal Care Day findet offiziell am 29.2. statt, den es nur alle vier Jahre gibt. Damit ist der Equal Care Day ebenso unsichtbar wie die Care-Arbeit selbst. Trotzdem gibt es jedes Jahr einige Aktionen rund um dieses Datum, um auf die mangelnde Wertschätzung und die unfaire Verteilung der Sorgearbeit hinzuweisen. Ziel dieser Initiative ist es, Care-Arbeit sichtbar zu machen und Politik und Wirtschaft aufzufordern, diese Themen neu zu denken.
#equalcareday